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4. Das Recht einer Hexe? Gerichtsverfahren bei Hexenprozessen

Ein Beitrag von Paul Sperber

Aus heutiger Sicht klingt es paradox: Rechtsprechung bei Hexenprozessen? 

Doch tatsächlich, Hexerei galt als ein juristischer Akt. Aber wieso verfolgte man überhaupt angebliche Hexen? Kurzgesagt betrachtete man sie als Handlanger des Teufels, welche gezielt Schaden anrichteten, wie etwa Missernten, Unwetter, Brände oder auch Schicksalschläge Einzelner, wie etwa Fehlgeburten oder Krankheiten. Im christlichen geprägten Mittelalter und der Frühen Neuzeit war die Furcht vor Satan ein ausreichendes Argument, dessen vermeintliche Helfer aufzuspüren und zu töten. 

Doch obwohl all dem der Glaube zu Grunde lag, fielen die Hexenprozesse nicht in die Gerichtsbarkeit der Kirche. Im Gegenteil, die katholische Kirche verurteilte die Lynchjustiz gegen Hexen im Mittelalter ausdrücklich. Und die gefürchtete Inquisition lehnte die Hexenverfolgung, zumindest anfangs, scharf ab, da man Ketzer, also abtrünnige Christen, verfolgte und keine Zauberer. Die Gerichtsbarkeit gegen Hexen lag fast ausschließlich bei weltlichen Gerichten. 

Paul Sperber an der Stadtmauer in Greifswald – ein neuer Mitstreiter im Netzwerk für das Aufaurbeiten der Geschichte der Hexenverfolgung in Pommern.
Alle Fotos: Pommersches Landesmuseum

Ende des 13. Jahrhunderts gab es eine Wende im kirchlichen Denken, denn nun galt die Verleugnung der Existenz von Hexen als Ketzerei. Ein zentraler Akteur der Hexenverfolgung war der Dominikanermönch Heinrich Kramer (*1430-†1505), welcher 1478 zum Inquisitor ernannt worden war. Sechs Jahre später legte er Papst Innozenz VIII ein Schriftstück vor, in welchem dieser die Existenz von Hexen anerkennt und deren Verfolgung legitimiert – die Hexenbulle. Von da an schickte die katholische Kirche einige Inquisitoren zur Hexenverfolgung aus. Heinrich Kramer war es auch, welcher 1487 das „Malleus maleficarum“, auch „Hexenhammer“ genannt, verfasste: Ein Kodex, welcher eine scharfe Justiz gegen angebliche Hexen proklamierte. Damit sollte die Lynchjustiz legitimiert werden, denn zu Zeiten Kramers gab es auch eine große Anzahl von Personen, welche sich explizit gegen die Hexenverfolgung aussprachen. Die wurde scholastisch begründet und letztendlich forderte er die Vernichtung aller Hexen. Kramer gelang es, seine eigene Position mit dem Malleus maleficarum zu stärken. 

Die meisten Hexenverfolgungen ereigneten sich zwischen dem 15. und dem 18. Jahrhundert, wobei die Anzahl der Opfer wird auf etwa 60.000 Menschen in ganz Europa geschätzt. Allein fast die Hälfte davon kamen auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation um, so Gerd Schwerhoff in seiner Publikation zu dem neuesten Forschungsergebnissen.

„Der Hexenhammer” – eine kommentierte Ausgabe

Doch nicht nur die Katholiken verfolgten Hexen. Auch mit der Reformation verbesserte sich die Situation nicht, im Gegenteil, in der Praxis behandelte die evangelische Kirche Hexen deutlich grober. Und auch der Martin Luther sprach sich für die Verfolgung von Hexen aus: „Es ist ein überaus gerechtes Gesetz, daß die Zauberinnen getötet werden, denn sie richten viel Schaden an.“

Seit 1532 bildete die Constitutio Criminalis Carolina, auch Halsgerichtsordnung genannt, von Kaiser Karl V. die juristische Grundlage im Heiligen Römischen Reich. Danach war Hexerei nur dann durch Buße zu bestrafen, wenn ein realer Schaden entstanden sei. Die Anwendung des Todesurteils, von Ordonalen (Gottesurteilen) oder etwaigen Hexenproben wurde darin abgelehnt. Die Protestanten legten diese Regelungen allerdings weitaus radikaler aus. Eine Maxime, unter die sich jedoch alle Richter und Ankläger fügen mussten, war: Ohne Geständnis, keine Verurteilung. Niemand durfte bestraft oder gar zum Tode verurteilt werden, wenn derjenige seine Taten nicht gestand. 

Um 1600 wurde die „Instructio Proformandis processibus in causis Strigum, Sorrilegiorum & maleficiorum“, auch „Instructio des Sanctum Officium“ oder zu Deutsch „Hexenprozeßinstruktion“ herausgegeben. Anhand dieser Quelle lässt sich der geregelte Ablauf des Hexenprozesses besonders gut skizzieren.

Die Hexenpredigt von Martin Luther in der Ausstellung auf der Burg Penzlin (Museum Burg Penzlin. Das Hexenmuseum in Mecklenburg)

Zunächst einmal erfolgte die Anklage einer vermeintlichen Hexe. Nicht selten basierte die Anschuldigung auf Gerüchten oder aufgrund von Denunziation. Möglich war aber auch die Anklage in Folge des Todes oder der Erkrankung eines Menschen aufgrund angeblicher Zauberei. Stellte ein Arzt eine natürliche Todesursache fest, wurde das Verfahren eingestellt. Handelte es nicht um keine natürliche Ursache, so wurden weitere Ärzte konsultiert und die Indizien gewissenhaft überprüft. Gelangte man zu dem Schluss, dass nicht Verdächtiges vor sich ging, wurde das Verfahren ebenfalls eingestellt.

Falls doch, folgte die Inhaftierung der Hexe, meist in einem Gefängnis- oder Stadtmauerturm. Zugleich führte man eine Hausdurchsuchung durch. Die inhaftierte Person wurde vollständig entkleidet und ihre Haare entweder abgesengt oder abrasiert. Dies sollte der Anwendung versteckter Zaubermittel vorbeugen. Daneben suchte man den Körper nach sog. Hexenmalen ab, also beispielsweise Muttermalen, welche als „Stempel des Teufels“ gedeutet wurden.

Folterinstrumente – Museum Burg Penzlin. Das Hexenmuseum in Mecklenburg

Der nächste Schritt war dann das Verhör. Dabei unterschied man zwischen drei Phasen: dem gütlichen Verhör, bei welchem die Befragung durch einen Richter erfolgte; der Territion (Schreckung), also der Befragung unter Präsentation der Folterinstrumente; und zuletzt dem peinlichen Verhör (von Pein = Schmerz), bei welchem Werkzeuge, wie etwa die Streckbank oder die Daumenschraube zum Einsatz kamen. Bei der simultan erfolgenden Befragung war jedoch die Anwendung von Suggestivfragen untersagt. Nach geltendem Recht war es eigentlich vorgesehen, dass Folter nicht länger als eine Stunde am Stück angewendet werden durfte, jedoch wurde diese Regel nicht selten missachtet. Zudem war es ein weiteres Gesetz, dass nach dreimaliger, geständnisloser Folter die Anklage fallen und der Angeklagte oder die Angeklagte frei gelassen werden musste, doch auch diese Regelung beachteten besonders fanatische Richter und Henker wenig. Starb ein Angeklagter im Zuge der Folter, so wurde in der Prozessakte bzw. im Verhörprotokoll oftmals „in Cartzer de mortua“ („stirbt im Kerker“) eingetragen. Interessant ist, dass jedem Beschuldigten, auch armen Menschen, ein Verteidiger an die Seite gestellt und daraufhin die Option eröffnet wurde, eine eigene Verteidigung schriftlich abzufassen. Kamen die Richter danach zu keinem Ergebnis und auch eine höhere Instanz bzw. andere Richter konnten keine Entscheidung fällen, so musste das Verfahren eingestellt werden.

Daumenschrauben – Museum Burg Penzlin. Das Hexenmuseum in Mecklenburg

Als nächster, jedoch inoffizieller Schritt kam nicht selten die Hexenprobe zum Einsatz. Eine Variante konnte dabei sein, dass man die vermeintliche Hexe im Wasser versenkte und wenn sie nicht wieder auftauchte, so war bewiesen, dass sie keine Hexe war (was dem Angeklagten zu diesem Zeitpunkt jedoch nichts mehr nutzte). Hexenproben aber waren kein Element eines offiziellen und vor allem ordentlichen Gerichtsprozesses.

Nach erfolgtem Geständnis konnte es zudem noch ein zweites Verhör geben, bei welchem die Richter und Henker die Hexe nach Mitverschwörern bzw. anderen Hexen ausfragten, da man davon ausging, dass Hexen sich untereinander kannten und sich beim Sabbat auch trafen. 

In Folge des Geständnisses und der Verurteilung wurde die Hexe sodann zur Hinrichtung geführt, wobei es bekanntermaßen gängige Praxis war, diese auf einem Scheiterhaufen zu verbrennen. Primär galt dies nicht der weiteren Qual, sondern das Feuer sollte die verdorbene Seele reinigen, so die Vorstellung jener Zeit. Adligen Hexen, wie Sidonia von Borcke, wurde nicht selten das Zugeständnis gemacht, vor der Verbrennung etwa durch Enthauptung exekutiert zu werden. Dies galt als Akt der Gnade und konnte durchaus auch nicht-adligen Personen zugestanden werden. 

Der Gerichtssaal – Museum Burg Penzlin. Das Hexenmuseum in Mecklenburg

Textautor: Paul Sperber – Masterstudent für Kunstgeschichte an der Universität Greifswald

Quellen: 

Rainer DECKER: Die Päpste und die Hexen. Aus den geheimen Akten der Inquisition, Darmstadt 2 2013. 

Marco FRENSCHKOWSKI: Die Hexen. Eine kulturgeschichtliche Analyse, Wiesbaden 2 2016. 

Heinrich KRAMER (Institoris): Der Hexenhammer. Malleus Maleficarum. Kommentierte Neuübersetzung (hrsg. v. Günter Jerouschek und Wolfgang Behringer), München 3 2003. 

Brian LEVACK: Hexenjagd. Die Geschichte der Hexenverfolgungen in Europa, München 4 2009. 

Gerd SCHWERHOFF: Vom Alltagsverdacht zur Massenverfolgung. Neuere deutsche Forschungen zum frühneuzeitlichen Hexenwesen (Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 46), Seelze 1995, S. 859-380.